Hallo ihr Lieben,
heute möchte ich euch gerne ein wenig an meinen Gedanken teilhaben lassen.
Es geht nicht um diese "Ich-hadere-mit-unserem-Schicksal-"Gedanken, sondern um diese Gedanken, die einem in den Sinn kommen, wenn man sich mit anderen Menschen unterhält, die selbst Erfahrungen mit Autisten gemacht haben oder Autisten kennen und von deren Erfahrungen berichten.
Die Kurze und ich waren vorgestern im Städtchen (nicht die Kreisstadt) beim Bäcker. Man kennt uns dort mittlerweile recht gut, weiß um unseren Hintergrund und so ergeben sich da immer nette Gespräche. Besonders mit einer Verkäuferin sogar sehr intensiv. Gut, zu ihrer Verteidigung, sie hat wenig von ihrem Enkelkind und Livia muss da dann immer so ein wenig als Ersatz her halten :-)
Ich habe unter anderem einen Hefezopf mitgenommen, da Clemens sich beim Einkaufen am Tag vorher die berühmt berüchtigte originale Nuss-Nougat-Creme ausgesucht hatte. Und sind wir mal ehrlich, es gibt nichts besseres, als eine schöne Scheibe Hefezopf mit Butter und N*tella drauf ;-)
Ich habe der Verkäuferin erzählt, was am Tag vorher in den Einkaufswagen gewandert ist. Und sie sagte dann, dass man ja eher mal klein bei gibt, als bei einem normalen Kind. Ja, sie hat recht. Das tue ich. Vermutlich viel zu oft. Er freut sich so unbändig, so ehrlich. Und ich habe an diesem Ausdruck einfach auch Freude. Tut dem Geldbeutel nicht unbedingt gut. Aber unseren Herzen schon.
Und über dieses Thema der Freude kamen wir dann darauf, wie sehr Autisten einen Menschen in ihr Herz schließen können. Und dann erzählte besagte Verkäuferin einen kleinen Schwank aus ihrem Alltag. Sie war gestern, kurz vor dem Unwetter, joggen. Ihre Nachbarin, Anfang 20, sah sie weggehen. Aber sie hat nicht gesehen, wie sie wieder nach Hause kam. Nachdem es also anfing aus Eimern zu schütten und zu stürmen, der Donner grollte, rief sie unsere Herz-Verkäuferin völlig aufgelöst an, sie habe sie nicht zurück kommen sehen und ob alles in Ordnung wäre. Die Herz-Verkäuferin konnte die junge Frau beruhigen, dass sie wohl behalten zu Hause angekommen ist und alles in Ordnung wäre. Ihr vermutet richtig, die junge Frau ist Autistin. Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Da sieht man mal wieder, wie ungerecht die kursierenden verallgemeinernden Aussagen bezüglich Autismus doch sind. Wie oft ließt man, dass Autisten keinerlei Emotionen hätten. Und wie oft ich feststellen muss, wie falsch diese Aussage ist. Hier sieht man mal wieder wie vorsichtig man bei der Wortwahl sein sollte.
Die Geschichte geht aber noch ein klein wenig weiter. Die Verkäuferin erzählte dann, dass die junge Frau die Diagnose noch gar nicht so lange hat. Die Mutter hat sie wohl immer als anders abgestempelt und sich nicht wirklich intensiv gekümmert. Stattdessen wurde das Mädchen Jahre lang von Arzt zu Arzt geschleppt, einer stellte wildere Diagnosen als der andere, aber geholfen hat ihr niemand. Dieses arme Mädchen, diese arme junge Frau musste etliche körperliche Untersuchungen über sich ergehen lassen, wurde von ihrem Umfeld nie verstanden, wurde gehänselt und ausgegrenzt, wurde nicht ernst genommen und wurde nie richtig aufgefangen. Sie sagt selbst, dass sie durch die Hölle gegangen ist!
Und da ich sehe, wie sehr sich Clemens Leben, seine Hölle verändert, ja verbessert hat, seit die Diagnose da ist, kann ich mir ansatzweise vorstellen, was diese Frau durchgemacht hat. Und es ist noch tausendmal schlimmer, als die emotionalen Höllenqualen, die ihr euch gerade vorstellt.
Ich bin dankbar dafür, dass wir so "früh" mit der ganzen Sache dran sind. Clemens wird nie solche Erfahrungen machen müssen, wie diese junge Frau. Er wird nicht jahrelang leiden müssen, weil die Gesellschaft nicht versteht, was mit ihm los ist.
Wir hadern öfter mal mit dem Schicksal. Aber nach dieser Geschichte sollten wir das nicht. Unser Schicksal hat uns unsere Nachbarin geschickt, die es gesehen hat, und uns so in die richtigen Bahnen lenken konnte. Unser Schicksal hat uns Eltern so bestückt, dass wir nicht weggesehen haben. Es hat uns den Mut gegeben, das alles anzugehen und dazu zu stehen.
Und das Schicksal hat uns auch noch eine andere Nachbarin geschenkt. Eine, die unter anderem mit Autisten arbeitet. Die nicht nur die Geschichten der Autis erzählen kann, sondern auch die der Eltern. Und das sind kleine Anekdoten, die uns doch so viel geben. Wir sind nicht alleine. Da draußen gibt es Menschen, die sich mit den selben Problemen rumschlagen, wie unser Clemens. Und da draußen gibt es auch noch andere Eltern, die genauso auf dem Zahnfleisch gehen, die sich oft nicht zu helfen wissen, die aber trotzdem auch so viel tolles mit ihrem Kind erleben.
Diese Geschichten zeigen, dass man keine Angst vor der Zukunft haben muss.
Ja, dafür sollte man dankbar sein.
Ihr seht, wir haben doppelten Grund zum Dankbarsein.
Und da wir stets versuchen, achtsamer zu sein, versuchen wir ab heute auch die Dankbarkeit ein bisschen mehr mit einfließen zu lassen :-)
Die Auti-Eltern sitzen jetzt vermutlich vor dem Bildschirm und lachen, weil sie wissen, wie schwer das ist. Nervenbehalten und so ;-)
So viel für heute
Bis Bald
Eure Stina
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