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Sonntag, 29. April 2018

Manchmal ist es einfach schwer

Hallo ihr Lieben,

heute mal wieder was zum Thema Elternschaft.
Manchmal hat man so Tage, da drückt die ASS wie eine Bürde. Eine schwere Bürde.
Heute ist so ein Tag.

Clemens war in den letzten Wochen sehr intensiv. In so vielem.
Zum einen hat er einen unglaublichen Fortschritt im sozialen Bereich gemacht. Nicht nur in der KiTa, sondern auch zu Hause sucht er Kontakt zu den Kindern, geht auf sie zu, spricht sie an und die ein oder andere Person bekommt sogar eine Umarmung :-)
Zu Hause hat er es lieber überschaubar mit nur einem weiteren Spielgefährten, oder besser Spielgefährtin. Sobald es mehrere Kinder werden, wird es ihm zu viel und er zieht sich eher wieder zurück. Aber die Dynamik verschiebt sich dann ja eh. Die "normalen" Kinder suchen dann eher zueinander Kontakt. Ich denke, das kommt ihm durchaus gelegen. Nicht schön anzusehen, aber da muss man sich eben immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass sein, ich nenne es mal "Zustand" , dies eben mit sich bringt und es für uns schmerzhafter ist, als für ihn.
Außerdem beginnt er gerade auch mit diesen Kindern dieses "Alles-ist-meins-Spiel". Seine Puppen, seine Schaukel, er will rutschen... Die Liste ist endlos :-)

Dem entgegenzusetzen ist leider seine extreme Wut und sein doch vermehrtes Abschalten. Dadurch wird der Alltag zu einem unglaublichen Grenzgang. Ein Balanceakt auf einem Drahtseil unter dem Feuer züngelt.

Heute haben er und ich ein Mutter-Sohn-Date gehabt, was sehr schön und doch sehr anstrengend war.
Wir wollten in die Eisdiele und ich habe das Auto extra weiter weg geparkt, damit wir einen schönen Spaziergang machen können, evtl. nochmal auf dem Spielplatz halt machen und einfach so lange, wie möglich Zeit miteinander verbringen.
Was ich nicht bedacht hatte: Weinfrühling.
Die Strecke, die wir zur Eisdiele laufen mussten, war voll gepackt mit Menschen und Weinständen. Und da wo keine Weinstände mehr waren, waren aber immer noch sehr viele Menschen.
Ich musste ihn also immer wieder tragen.
Dann der erste größere Tiefpunkt: das Geschäft mit der Rolltreppe, auf die er geht, wenn wir in der Bücherei sind, war zu. Ich befürchtete eine mittlere Katastrophe. Glücklicherweise war er aber einfach nur mal fünf Minuten in seiner Welt versunken.
Als wir dann endlich an der Eisdiele waren, gab es natürlich kein Halten mehr. Die Blicke von den anderen Gästen, eine spitze Bemerkung von einer älteren Dame... Nein, er kann nicht warten. Die Konzepte "es dauert noch" , "kommt gleich" oder "das Eis muss noch fertig in die Schalen verteilt werden" versteht er einfach nicht. Die Worte sind für ihn leer. Die Hälfte davon kann er nicht mal nachsprechen, wie sollen sie also überhaupt einen Sinn für ihn ergeben.
Er hat das Bedürfnis jetzt. JETZT. Das Eis muss einfach sofort kommen. Er jammerte schon, bevor wir überhaupt bestellt hatten. Ich kann es aussitzen. Dort. Zu Hause angekommen, lastet es schwer. Die Gedanken drehen sich und ich komme einfach zu keiner Lösung. Ich weiß nicht, wie ich es ihm begreiflich machen soll. Ich weiß nicht, wie ich auch für ihn die Situation erträglicher gestalten kann. Es ist einfach frustrierend.
Auf dem Rückweg konnte er ebenfalls die Menschen nicht ertragen. Zudem mussten wir die ein oder andere Straße überqueren und auf Radfahrer achten. Alles in allem also eine absolut unüberschaubare Situation für ihn. Und es gibt ja nichts schlimmeres für ihn, als wenn er in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist. Er nagelte mich irgendwann auf einem Stück Wiese fest, und kuschelte ewig. Versuchte zwar immer wieder zu verhandeln, ob er mal in den Fluss dürfe, akzeptierte aber das Nein.

Ich zog ihm dort die Schuhe aus. Das hilft ihm meistens sich besser zu spüren und so mit dem ein oder anderen besser klar zu kommen.
Es schaffte in der Tat auch Besserung. Er schaute zwei Frisbee-Spielern zu, ging auf zwei Spielplätze und rannte doch noch recht befreit auf der Grünfläche umher. Immerhin. Leider konnte er zu keinen Menschen Kontakt aufnehmen, sprach nicht mit Freunden, die wir trafen, hatte Angst vor den fremden Kindern auf dem Spielplatz und verlor sich völlig unter einem Brückenbogen, weil es dort so schön schalte und es Wasser gab. Ende vom Lied: Meltdown.
Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich ihn vorher getragen habe, wie oft ich ihm beim Rutschen helfen musste, wie oft ich gesagt habe, dass er sich, so wie zu Hause, trauen kann, wie oft ich ihm versichert habe, dass ich ihn beschütze. Vor Tieren und Menschen.
Im Auto fielen ihm immer wieder die Augen zu.
Zu Hause angekommen warteten schon seine Spielkameradinnen auf ihn, sie kamen ans Auto und riefen nach ihm, winkten, klopften an die Scheibe und wollten ihn anfassen. Und alles was er tun konnte, war die Hände wegzuschlagen, zu treten und den Kopf weg zudrehen.
Ich musste die Kinder dann - leider - nach Hause schicken. Es tat mir so leid. Für sie alle. Für Clemens, weil er nicht mehr konnte und dann doch noch in eine Situation geriet, die er nicht mehr handeln könnte. Für die Kinder, weil sie natürlich im ersten Moment etwas erschrocken waren und natürlich auch nicht richtig verstanden, weshalb ich sie wegschickte; bei uns herrscht eigentlich eine offene Haus- und Hofkultur.
Und für mich. Weil ich keines der beteiligten Kinder schützen konnte. Sie mussten alle eine Enttäuschung erleiden.

Als ich dann jetzt mit dem Hintern auf dem Stuhl saß, kam die Erschöpfung. 16 Kilo sind einfach schwer zu tragen. Immer präsent zu sein, ständig auf  "Hab-Acht-Stellung", damit er nicht in eine Situation gerät, die er nicht schafft. Einen 360° Blick auf die Umgebung und auf die Emotionen.
Eigentlich war der Tag schön, trotz allem. Aber jetzt bin ich geschafft. Und mein Kind auch.
Es ist schwer. Immer am Maximum zu gehen, weil man sein Kind schützen will. Weil er eben nicht ist, wie die anderen.
Und es ist für ihn schwer am Maximum zu gehen, mit diesen ganzen Reizen, Situationen, (Un-)Überschaubarkeiten, inneren Kämpfen.

Es gibt Tage, da marschiert man durch, schafft das alles. Ganz easy.
Und es gibt Tage, da liegt es wie bleiern auf einem.

Aber morgen ist wieder ein neuer Tag :-)


Bis Bald
Eure Stina

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