Hallo ihr Lieben,
hallo am Weltautismustag 2018
Tja, nun sitze ich hier, schreibe diesen Beitrag, hatte ihn vorher super vorbereitet... Und schreibe alles nun doch ganz anders, frei Schnauze sozusagen.
Unser erster Weltautismustag. Das löst zwiespältige Gefühle aus.
Zum einen ist es unsäglich traurig, dass wir in einer Gesellschaft leben, die einen extra Tag braucht, um ein besonderes Augenmerk auf gewisse Dinge zu legen. Wieso kann man nicht jeden Tag mit allem was man hat auf Krebs, Diabetes, MS,...., Autismus aufmerksam machen. Wieso muss es einen Tag geben, damit die Welt kurz inne hält und etwas näher schaut.
Und jetzt schlägt das schlechte Gewissen zu. Ich hatte vor der Diagnose auch kein besonderes Augenmerk auf dem Autismus. Es betraf mich nicht, war nicht Teil meiner Lebenswirklichkeit. Und so geht es uns doch allen. Sind wir nicht direkt mit etwas konfrontiert, entwickelt man meist kein Interesse für etwas.
Eigentlich ist heute noch Ostern. Für die Kinder auf jeden Fall. Aber für viele Eltern ist das heute nur zweitrangig.
Wir sitzen heute bei einem leckeren Essen, in gemütlicher Runde , beteiligen uns an Gesprächen und ertappen uns doch immer wieder dabei, dass wir unser Kind anschauen, dieses eine Kind, das mit einem Extra ausgestattet ist. Dieses eine Kind, auf das man so unglaublich stolz ist und das einem gleichzeitig so viele Sorgen bereitet.
In unserem Fall dieses eine Kind, was mit Musik und Reimen so viel anfangen kann, das aber einfach nicht sagen kann, dass es Durst oder Hunger hat. Dieses eine Kind, dass sich stundenlang mit Farbe beschäftigen kann, dass aber nicht sagen kann, dass ein Geräusch zu laut, ein Geruch zu penetrant ist. Das nicht sagen kann, dass die Welt es überfordert. Das nicht sagen kann, dass es Schmerzen hat.
Dieses eine Kind, was unglaublich freudig und warmherzig sein kann, wenn die Welt es nicht überrennt. Dieses eine Kind, das so viel Freude entwickeln kann, wenn Oma kommt. Dieses eine Kind, dass davon lebt uns körperlich nahe zu sein, weil nur Kuscheln oder Hand halten ihm genug Sicherheit geben.
Ich kann heute nichts anderes schreiben, als das, was ich sonst auch immer schreibe. Unser Leben ist das gleiche, meine Wünsche sind die gleichen.
Ich wünsche mir, dass man mit ganz viel Meinung, aber null Ahnung aufhört zu urteilen. Sondern lieber einen Schritt auf uns zu geht und fragt. Ihr da draußen könnt ihn und uns nur verstehen, wenn wir miteinander sprechen, statt hinter vorgehaltener Hand Mutmaßungen anzustellen.
Aufmerksamkeit für dieses Thema, Sensibilität für dieses Thema kann nur entstehen, in dem man redet, sich austauscht und aufeinander einlässt.
Ihn als verzogenes Balg zu titulieren, weil er auf dem Parkplatz steht , bitterlich weint, beim Anfassen von mir anfängt zu hauen, ist mehr als respektlos und verletzend. Uns schlechte Elternschaft vorzuwerfen, weil wir mit den Augen rollen oder ihn lautstark anfahren, ohne zu wissen, dass man im Vorfeld schon eine halbe Stunde mit Engelszungen auf ihn eingeredet hat, dass man seit über einer Stunde schon Alternativen und Ablenkungen anbietet und nichts greift.
Dass wir alle eine schlaflose Nacht hatten.
Wir schreien ihn nicht an, weil wir Eltern mit einem kurzen Geduldsfaden sind, oder weil wir schlechte Erziehungsmethoden haben.
Er lehrt uns jeden Tag auf's neue Geduld. Er lehrt uns Achtsamkeit. Aber er lehrt uns auch, dass das Fass irgendwann voll ist und man explodiert. Er lehrt uns, dass er irgendwann genug hat, der Kanal voll ist und er nicht mehr kann. Und er lehrt uns, dass es bei uns Eltern auch nicht anders ist!
Wir sind alle nur Menschen und das bringt nun mal mit sich, dass man unglaublich stark, aber auch unglaublich schwach sein kann.
Ich habe vorhin meine Facebook-App geöffnet und mir wurde eine Erinnerung angezeigt. Und zwar die Erinnerung vom 02.04.2014 !!!
Ein kleiner Reim. Der mich dazu bewogen hat, diesen ganzen Beitrag umzuwerfen.
"Ich bin das tiefe Himmelsblau,
der schöne, frische Morgentau.
Sucht mich und blickt im Dunkeln
in die Ferne - bei Nacht
bin ich das Funkeln eurer Sterne."
Heute vor vier Jahren hatte ich keine Ahnung, dass Weltautismustag ist. Vor vier Jahren war ich damit beschäftigt, den Verlust eines kleinen bohnenförmigen Menschleins zu verkraften.
Dieses kleine Menschlein, unser Zauberböhnchen, wusste mehr als wir. Es wusste, dass die Zeit noch nicht ganz gekommen war. Es wusste, dass einige Wochen später, aber alles perfekt sein würde. Dass es diesen kleinen besonderen Jungen gibt, der auf einem Stern sitzt und wartet, dass Eltern kommen, die für ihn bereit sind. Die ihn nehmen, wie er ist, die ihm den Raum geben, den er braucht, die ihn nicht brechen, die stattdessen für ihn und mit ihm kämpfen.
Er ist alles, was das Gedicht beschreibt!
Ja, die Zeiten mit einem ASS-Kind sind oft hart. Aber er weist uns den Weg! Er ist der Orientierungspunkt, der Knoten, der alles verbindet.
Er ist unser Kind, euer Enkel, euer Neffe, euer Nachbar, euer KiTa-Buddy.
Er ist es wehrt, sich auf ihn einzulassen. Sich um ihn zu bemühen, ihm Offenheit entgegen zubringen, ihn zu akzeptieren, zu formen und zu fördern.
Er soll nicht ausgeschlossen werden, weil er oder wir auch mal schreien. Er soll nicht ausgeschlossen werden, weil andere Angst haben. Ihr braucht keine Angst haben. Weder vor ihm, noch vor einem anderen Menschen mit ASS. Ihr braucht einfach nur Mut, um mit uns zu reden und ihr werdet sehen, wie leicht es für EUCH mit IHM sein kann.
Im Film "Wir kaufen einen Zoo" gibt es einen wunderschönen Satz: "...du musst nur 20 Sekunden mutig sein..."!
Das ist meine Botschaft für euch, bzw für jede einzelne Person an diesem 02.04.2018, an diesem Weltautismustag!
Sei mutig , überwinde deine Barriere, gehe offen auf uns und auf ihn zu!
Trau dich zu fragen!
Trau dich diesen einen Tag im Jahr dafür zu nutzen, dich besser über die Autismus-Spektrumstörung zu informieren!
Trau dich, deinen Horizont in diesem Thema zu erweitern!
Trau dich die Gesellschaft ein kleines Stückchen informierter werden zu lassen!
Trau dich die Gesellschaft ein wenig toleranter zu machen!
So viel für heute,
bis Bald
Eure Stina
Wir lassen uns gerne auf unseren Nachbar und KiTaBuddy ein :-)
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