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Montag, 25. Juni 2018

Ich hol mal die Wasserkristole

Hallo ihr Lieben,

heute möchte ich euch ein kleines Clemens-Update geben.

Im Moment ist er zwar immer noch kein ganz normaler dreieinhalb Jähriger, aber er zeigt doch gehäuft Verhaltensmuster, die auch seine Altersgenossen an den Tag legen.
Es ist so schön zu sehen, dass er anscheinend irgendwo in seinem kleinen Kopf doch besser in diese Welt passt, als gedacht.
Nach wie vor ist er aber lieber mit einem Kind alleine, als mit einer ganzen Bande. Hier zieht er sich dann immer zurück, macht sein eigenes Ding und scheint zufrieden. Aber es ist keinesfalls so, dass er die anderen Kinder nicht im Auge hätte. Ganz im Gegenteil. Er tastet sich oft an die Gruppe ran. Aber es ist dann doch zu viel.
Seine Sprache entwickelt sich, wie in den letzten Monaten auch, kontinuierlich. Allerdings ist es nach wie vor so, dass er für zwei deutlich artikulierte Wörter, fünf neue in seiner eigenen Sprache hat. Eines der Nachbarskinder fragte mich neulich, wieso er denn kein Deutsch spreche. Ich musste so lachen. Weil es eigentlich den Nagel auf den Kopf trifft. Und im Moment auch unsere größte Baustelle ist. Wir verstehen ihn besser, als Außenstehende. Was so unglaublich schade ist. Da ist so viel in  seinem Kopf, was raus muss. Und es ist so wenig davon verständlich.
"Wasserkristole" verstehen Gott sei Dank die Meisten. Aber je mehr Menschen um ihn rum sind, oder je dringender er etwas sagen muss, desto undeutlicher wird es. Genau genommen ist es Kauderwelsch vom aller feinsten. Man kann es einfach nicht verstehen. Nur an Hand seines Tonfalls kann man ausmachen, ob es was schlimmes oder etwas gutes ist.
Außer er freut sich. Die einzige Emotion, mal abgesehen von unbändiger Wut, die man wirklich sicher deuten kann ist die Freude.
Aber nochmal zurück zur Sprache ;-)
Im Moment ist es doch enorm, was er Zustande bringt, wenn wir hier zu Hause sind. "Clemens, musst du mal arbeiten." ist in den letzten Tagen zwar oft gefallen. Aber er sagte mindestens genauso oft auch: "Ich muss arbeiten." Und er arbeitete wirklich. Ein fleißiges Helferlein :-)
Auch sein Gefühl für Durst scheint langsam zu kommen und auch hier kann er ab und zu sagen: "Ich habe Durst. Ich trinke etwas."
Ansonsten fallen Sätze, wie: "Nein, Clemens, willst du nicht essen." oder "Magst du Glotzi gucken, ja."
Aber auch das sind Dinge, die sich sicherlich mit der Zeit ändern werden. Und die Erleichterung, die das Ganze im Zusammenleben mit sich bringt, ist enorm. Von daher kann man bei der Syntax mal ein Auge zu drücken ;-)
Im Umgang mit anderen Menschen ist er im Moment auch auf einem ziemlich guten Kurs. Die Tage hat er die Nachbarsmama umarmt, einfach so . Und auch mit fremden Erwachsenen ist er in offenen Situationen gerade ziemlich umgänglich. Fast schon überschwänglich.

Seine Selbstständigkeit ist nach wie vor etwas, was wir nicht genau einschätzen können und wo wir auch nicht wirklich wissen, wo für uns eine Möglichkeit zu anknüpfen besteht. Beim Entwicklungsgespräch im Kindergarten war dies auch ein Thema. Er kann sich die Schuhe und die Jacke ausziehen. Aber dort tut er es gar nicht. Und hier zu Hause auch nicht immer. Wobei wir da schon festgestellt haben, dass es auf seine Verfassung ankommt. Ist er müde, kann er es einfach nicht selbst. Das Anziehen steht auf einem anderen Blatt. Das funktioniert leider überhaupt nicht. Bei den Schuhen probiert er es ab und zu wenigstens. Aber alles andere ist einfach nicht drin.
Schauen wir mal, was uns da noch einfällt.

So, dass war es für heute
Um es mit Clemens Worten zu sagen: "Tsüß , bis mogän." :-)

Samstag, 16. Juni 2018

Du - Ich - Paar

Hallo liebe Leserinnen und Leser,

der heutige Beitrag beschäftigt sich weniger mit dem Kind, sondern mit uns Erwachsenen.
Mit den Problemen, die alle Eltern kennen, und die bei Eltern mit einem gehandicapten Kind doch noch mal schwerwiegender sind.

Letztes Wochenende waren wir mit der Clique weg und ich habe mich mit einer Mama unterhalten und da kam mir dieser Post wieder in den Sinn. Er liegt schon lange bei den Entwürfen, aber ich habe ihn immer wieder hinten angestellt. Aber gerade vor dem Hintergrund dieses Gespräches, fasse ich mir jetzt ein Herz und schreibe ihn fertig :-)

Wir Eltern kennen dieses Phänomen alle: kaum ist ein Kind da, wird alles anders. Der Alltag, das Leben, die Liebe, die Freunde, das Paar-sein und das Ich-sein.
Unsere Hebamme sagte immer, dass eine Geburt nicht nur auf das Kind bezogen werden sollte, sondern dass dabei auch immer die Eltern neu geboren werden. Und das ist definitiv so. Man verändert sich. Die Haltung ändert sich, Prioritäten verschieben sich.
An sich nichts Schlimmes. Und doch können hässliche Entwicklungen daraus resultieren.
Als Eltern nimmt man sich für die Kinder zurück. Es soll ihnen an nichts fehlen, sie sollen glücklich und zufrieden sein. Man will stets das beste für die Kleinen und setzt alles daran, dies so gut es geht zu erreichen.
Und ehe man sich versieht, hat man irgendwie den Punkt verpasst, an dem man als Person oder Paar auf der Strecke bleibt. Neben Haushalt, Job und Kindern, hat man selbst seine sozialen Kontakte vernachlässigt, den Sport schleifen lassen und schon ewig kein gescheites Gespräch mehr geführt. Von Paaraktivitäten ganz zu schweigen.
Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass man nicht nur Mama/Papa ist, sondern dass da auch noch eine Person hintendran steckt und dass man ja auch die Partnerschaft pflegen muss. Wirklich pflegen muss, damit sie nicht zu einer Art WG verkommt.
Das alles unter einen Hut zu bekommen, jeder Person im Familiengefüge gerecht zu werden ist einfach immer schwierig.
Und mit gehandicaptem Kind doch noch mal mehr.
Die alltägliche Betreuung ist viel aufwendiger, Therapiesitzungen müssen wahrgenommen werden, Kontakte gepflegt werden, die Selbstständigkeit ist bei weitem nicht mit den Fortschritten zu vergleichen, die die Altersgenossen an den Tag legen. Und dann haben wir noch nicht von den Tagen gesprochen, an denen das gehandicapte Kind krank ist. Oder von dem Fall Geschwisterkind. Oder von den Stunden am Telefon wegen Anträgen und Terminen. Oder den Stunden der Informationsbeschaffung, des Belesens. Familienzeit muss auch noch irgendwie unter.
Der Tag hat einfach zu wenig Kapazität für all die Dinge, die man tun muss und die man tun möchte.
Wir standen vor einiger Zeit an dem Punkt, an dem wir uns fragten, was ist eigentlich aus uns geworden?
Wer bin ich und was sind wir?
Plötzlich hat man ein riesen Identifikationsproblem, weil man vor lauter Eltern-sein und Funktionieren-müssen total aus den Augen verloren hat, wer man selbst ist. Keine Hobbies, kaum gepflegte Freundschaften.
Und dann kommt da noch dieser große Knall mit dem Partner. Auf ein Mal nerven Dinge, die nie ein Problem waren, die Kommunikation ist nicht mehr einfach und ohne große Worte möglich, im Gegenteil, es ist anstrengend. Viel zu wenig Zeit miteinander, kleine Gesten, die irgendwie verschwunden sind, unterschiedliche Standpunkte.
Frustration auf ganzer Linie sozusagen.
Wie soll man das alles schaffen?
Kann man das schaffen?
Ich glaube, ja man kann es schaffen, das wie muss jede Familie für sich selbst finden. Im Autismusforum berichten viele Elternteile, dass die Beziehung es nicht überlebt hat. Das Leben am Limit ist nicht immer machbar.
Organisation und Struktur ist das eine. Aber - und das musste ich erst lernen - die Zeit für sich und die Zeit als Paar darf nicht gänzlich verloren gehen! Man muss kein schlechtes Gewissen haben, weil man die Kinder mit Papa eine Stunde alleine lässt, um einem Hobby nach zu gehen, oder einfach mal ne Runde pennt. Man muss kein schlechtes Gewissen haben, die Kinder in der Obhut von den Großeltern oder eines Babysitters zu lassen, um mit dem Partner ein ruhiges Essen zu genießen.
Wir müssen jeden Tag neu entscheiden, ob die Kinder es zulassen und wir uns die Zeit HEUTE nehmen können. Wir sind durch den Autismus gebundener. Bei uns ist vieles weniger planbar, als bei Eltern von normalen Kindern.
Aber wo ein Wille, da ein Weg :-)
Und es ist schön zu wissen, dass die Baustellen an der Basis doch die gleichen sind, wie bei "normalen" Eltern auch ;-)

Für alle Auti-Eltern:
Es ist normal, sich zu verlieren. Die Natur hat das schon gefuchst eingerichtet, dass man sich so um das Kind kümmert. Niemand sonst versteht dieses Kind, so wie ihr. Und da ist es irgendwie klar, dass gewisse Mechanismen in Gang gesetzt werden, damit man sich nur um das Junge kümmert. Aber wenn ihr an den Punkt kommt, an dem ihr den Drang nach Freiheit verspürt: Nehmt sie euch. Ihr werdet ALLE davon profitieren!
Hinter jeder starken Mama und jedem starken Papa steht eine Person X, die leben will und leben muss, um dem Kind die beste Mama und der beste Papa sein zu können, die/den es braucht, um in dieser verrückten, viel zu lauten Welt zu leben.
Es ist normal, dass ihr ausgepowert seid. So sehr, dass ihr außer einem "Hallo" nichts mehr zu eurem Partner sagen könnt. Aber lasst es nicht zur Gewohnheit werden. Es darf nicht jeden Tag so sein.
Lasst die kleinen Gesten nicht komplett einschlafen. Gerade in eurer Situation sind sie so immens wichtig.

Und zum Schluss, an alle Eltern:
IHR MACHT EINEN TOLLEN JOB!
Vergesst das nicht. Und vergesst euch nicht.


Bis bald
Eure Stina

Das Entwicklungsgespräch im Kindergarten

Hallo ihr Lieben,


heute möchte ich euch endlich von unserem Entwicklungsgespräch im Kindergarten berichten.
Es war in vielen Bereichen, wie erwartet, aber nicht in allen. Es gab in der Tat die ein oder andere Überraschung.

Clemens wurde an Hand der selben Bögen, wie alle anderen Kinder beurteilt. In der KiTa gibt es keine anderen Beurteilungsbögen. Was wir aber nicht sonderlich schlimm finden, weil wir so einfach ein besseres Bild von seinem "Anders-sein" bekommen.


Es wurden folgende Bereiche beurteilt:

Körperbewusstsein und -pflege ,
Sprache und Literacy,
Feinmotorik,
Grobmotorik,
Kognition,
Spieltätigkeit,
Sozial-emotionale Entwicklung,
Umgebungsbewusstsein

Die jeweiligen Kategorien wurden nochmal in verschiedene Aussagen unterteilt, die man dann mit "tut es" , "teilweise" oder "tut es nicht" kreuzt.
Die Erziehrinnen berichteten, dass es oft extrem schwer war, Clemens nach den Bögen zu beurteilen, da die vorgegebenen Aussagen auf ihn oft nicht anwendbar sind bzw. man einfach nicht beurteilen kann, da von ihm das entsprechende Feedback fehlt. Eigentlich kann man auf einiges an Können nur schließen, wenn man von anderem Können ausgeht. Aber so funktioniert das Ganze mit den Beurteilungsbögen ja nicht ;-)
Ein Beispiel: Er kann Rotkäppchen zitieren. Aber hat er tatsächlich den Inhalt verstanden? Versteht er, dass der Wolf die Großmutter frisst?
Ihr seht, verzwickte Nummer :-)

Sozial macht er sich wohl , wenn auch in kleinen Schritten, doch recht gut. Nicht so gut, wie zu Hause, was uns im ersten Moment ziemlich überrascht hat. Aber dann muss man einfach bedenken, dass im Kindergarten so viele Kinder sind, so viel passiert, die Situation einfach viel dynamischer ist und er vermutlich aus Selbstschutz auf Sparflamme fährt.
Er scheint mit den Mädels wesentlich besser zu interagieren, als mit den Jungs. Was sein Verhalten gegenüber Männern und Frauen widerspiegelt.
Mit den Erwachsenen geht er wohl immer öfter und auch enger in Kontakt. Was ein wunderbarer Gedanke ist. Er wird nach den Ferien nochmal die Stunden im KiGa aufgestockt bekommen und wenn er sich dort auf die Erzieherinnen einlassen kann, auch Kuscheltechnisch, ist das doch ein beruhigendes Gefühl und man hat ein klein bisschen weniger Angst vor diesem nächsten Schritt.

Eine weitere Überraschung, mit Abstand die Größte, war seine Beurteilung im Bereich Grobmotorik.
Wir mussten lernen, dass er im Kindergarten ein völlig anderes Kind ist. Hier zu Hause geht er Treppen selbstsicher, springt von Dingen, springt über Dinge, rennt, balanciert.
Im Kindergarten tut er entweder nichts davon oder nur mit Hilfe. Die Erziehrinnen vermuteten ein Gleichgewichtsproblem. Was wir aber gemeinsam verworfen haben, nachdem wir von seinem Bewegungsverhalten hier zu Hause berichtet haben. Ihr könnt euch sicherlich noch daran erinnern, wie früh er sich auf den Schultern sitzend nicht mehr fest hielt und einfach sich selbst balanciert. Was er bis heute genauso tut.
Wir vermuten, dass es eben wieder die anderen Kinder sind, die ihn vom Bewegen abhalten. Kinder sind so unberechenbar, wie schnell rennen sie sich gegenseitig um oder schubsen sich mal. Wir glauben, dass er sich davor schützt, in dem er seine Bewegungen einschränkt und sich auch immer den Halt einer Erzieherin sucht. Und das würde auch erklären, wieso er zu Hause immer am Rennen, Springen und Wuseln ist. Irgendwann muss die ganze Energie ja raus.

Wir müssen uns wegen einigen anderen Sachen mit unserem Psychiater in Verbindung setzen und werden in diesem Zuge nachfragen, ob es spezielle Bögen für autistische Kinder gibt, um ihn in seiner Welt begutachten zu können. Es war wirklich schön, dass die Erzieherinnen sich so einen Autismusspezifischen Bogen gewünscht haben. Wir unterstützen das gerne.

Alles in allem, war das Ergebnis des Gespräches recht bunt, aber definitiv trotz einigen Widrigkeiten positiv.
Er ist gut im Kindergarten aufgehoben und ich glaube, so lange das so ist, können wir zufrieden sein.


So viel für heute
Bis bald
Eure Stina