Hallo liebe Leserinnen und Leser,
der heutige Beitrag beschäftigt sich weniger mit dem Kind, sondern mit uns Erwachsenen.
Mit den Problemen, die alle Eltern kennen, und die bei Eltern mit einem gehandicapten Kind doch noch mal schwerwiegender sind.
Letztes Wochenende waren wir mit der Clique weg und ich habe mich mit einer Mama unterhalten und da kam mir dieser Post wieder in den Sinn. Er liegt schon lange bei den Entwürfen, aber ich habe ihn immer wieder hinten angestellt. Aber gerade vor dem Hintergrund dieses Gespräches, fasse ich mir jetzt ein Herz und schreibe ihn fertig :-)
Wir Eltern kennen dieses Phänomen alle: kaum ist ein Kind da, wird alles anders. Der Alltag, das Leben, die Liebe, die Freunde, das Paar-sein und das Ich-sein.
Unsere Hebamme sagte immer, dass eine Geburt nicht nur auf das Kind bezogen werden sollte, sondern dass dabei auch immer die Eltern neu geboren werden. Und das ist definitiv so. Man verändert sich. Die Haltung ändert sich, Prioritäten verschieben sich.
An sich nichts Schlimmes. Und doch können hässliche Entwicklungen daraus resultieren.
Als Eltern nimmt man sich für die Kinder zurück. Es soll ihnen an nichts fehlen, sie sollen glücklich und zufrieden sein. Man will stets das beste für die Kleinen und setzt alles daran, dies so gut es geht zu erreichen.
Und ehe man sich versieht, hat man irgendwie den Punkt verpasst, an dem man als Person oder Paar auf der Strecke bleibt. Neben Haushalt, Job und Kindern, hat man selbst seine sozialen Kontakte vernachlässigt, den Sport schleifen lassen und schon ewig kein gescheites Gespräch mehr geführt. Von Paaraktivitäten ganz zu schweigen.
Man muss sich immer wieder bewusst machen, dass man nicht nur Mama/Papa ist, sondern dass da auch noch eine Person hintendran steckt und dass man ja auch die Partnerschaft pflegen muss. Wirklich pflegen muss, damit sie nicht zu einer Art WG verkommt.
Das alles unter einen Hut zu bekommen, jeder Person im Familiengefüge gerecht zu werden ist einfach immer schwierig.
Und mit gehandicaptem Kind doch noch mal mehr.
Die alltägliche Betreuung ist viel aufwendiger, Therapiesitzungen müssen wahrgenommen werden, Kontakte gepflegt werden, die Selbstständigkeit ist bei weitem nicht mit den Fortschritten zu vergleichen, die die Altersgenossen an den Tag legen. Und dann haben wir noch nicht von den Tagen gesprochen, an denen das gehandicapte Kind krank ist. Oder von dem Fall Geschwisterkind. Oder von den Stunden am Telefon wegen Anträgen und Terminen. Oder den Stunden der Informationsbeschaffung, des Belesens. Familienzeit muss auch noch irgendwie unter.
Der Tag hat einfach zu wenig Kapazität für all die Dinge, die man tun muss und die man tun möchte.
Wir standen vor einiger Zeit an dem Punkt, an dem wir uns fragten, was ist eigentlich aus uns geworden?
Wer bin ich und was sind wir?
Plötzlich hat man ein riesen Identifikationsproblem, weil man vor lauter Eltern-sein und Funktionieren-müssen total aus den Augen verloren hat, wer man selbst ist. Keine Hobbies, kaum gepflegte Freundschaften.
Und dann kommt da noch dieser große Knall mit dem Partner. Auf ein Mal nerven Dinge, die nie ein Problem waren, die Kommunikation ist nicht mehr einfach und ohne große Worte möglich, im Gegenteil, es ist anstrengend. Viel zu wenig Zeit miteinander, kleine Gesten, die irgendwie verschwunden sind, unterschiedliche Standpunkte.
Frustration auf ganzer Linie sozusagen.
Wie soll man das alles schaffen?
Kann man das schaffen?
Ich glaube, ja man kann es schaffen, das wie muss jede Familie für sich selbst finden. Im Autismusforum berichten viele Elternteile, dass die Beziehung es nicht überlebt hat. Das Leben am Limit ist nicht immer machbar.
Organisation und Struktur ist das eine. Aber - und das musste ich erst lernen - die Zeit für sich und die Zeit als Paar darf nicht gänzlich verloren gehen! Man muss kein schlechtes Gewissen haben, weil man die Kinder mit Papa eine Stunde alleine lässt, um einem Hobby nach zu gehen, oder einfach mal ne Runde pennt. Man muss kein schlechtes Gewissen haben, die Kinder in der Obhut von den Großeltern oder eines Babysitters zu lassen, um mit dem Partner ein ruhiges Essen zu genießen.
Wir müssen jeden Tag neu entscheiden, ob die Kinder es zulassen und wir uns die Zeit HEUTE nehmen können. Wir sind durch den Autismus gebundener. Bei uns ist vieles weniger planbar, als bei Eltern von normalen Kindern.
Aber wo ein Wille, da ein Weg :-)
Und es ist schön zu wissen, dass die Baustellen an der Basis doch die gleichen sind, wie bei "normalen" Eltern auch ;-)
Für alle Auti-Eltern:
Es ist normal, sich zu verlieren. Die Natur hat das schon gefuchst eingerichtet, dass man sich so um das Kind kümmert. Niemand sonst versteht dieses Kind, so wie ihr. Und da ist es irgendwie klar, dass gewisse Mechanismen in Gang gesetzt werden, damit man sich nur um das Junge kümmert. Aber wenn ihr an den Punkt kommt, an dem ihr den Drang nach Freiheit verspürt: Nehmt sie euch. Ihr werdet ALLE davon profitieren!
Hinter jeder starken Mama und jedem starken Papa steht eine Person X, die leben will und leben muss, um dem Kind die beste Mama und der beste Papa sein zu können, die/den es braucht, um in dieser verrückten, viel zu lauten Welt zu leben.
Es ist normal, dass ihr ausgepowert seid. So sehr, dass ihr außer einem "Hallo" nichts mehr zu eurem Partner sagen könnt. Aber lasst es nicht zur Gewohnheit werden. Es darf nicht jeden Tag so sein.
Lasst die kleinen Gesten nicht komplett einschlafen. Gerade in eurer Situation sind sie so immens wichtig.
Und zum Schluss, an alle Eltern:
IHR MACHT EINEN TOLLEN JOB!
Vergesst das nicht. Und vergesst euch nicht.
Bis bald
Eure Stina
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