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Montag, 21. Mai 2018

Ärzte...Sekunde, da war doch was.

Hallo liebe Leser und Leserinnen.

Heute schreibt Clemens´ Papa mal wieder. Und warum?

Ich war heute mit unsrem Sohn im Krankenhaus beim Kinderärztlichen Notdienst.
Seit einigen Tagen hat er Ausschlag an den Wangen und vereinzelte Pickelchen an den Beinen und den Schultern. Bisher noch augenscheinlich harmlos, da es ihn scheinbar nicht stört und er auch bis dato schmerz- und fieberfrei war.

Und dann kam die letzte Nacht....

Jeder der hier mitliest, ob Eltern eines autistischen Kindes oder nicht, weiß wie sein Kind weint wenn es Schmerzen hat. Vor allem wenn dies aus dem Nichts zu kommen scheint. Ich kannte dies von Clemens bisher nur wenn nen Magen-Darm Virus hatte. Kurz bevor er sich übergeben musste fing er zu weinen an. Aber selbst das war gestern ein etwas anderes weinen....wehleidiger...irgendwie intensiver. Es plagte ihn etwas. Bis jetzt kann ich nicht sagen was es war und wie es aufgehört hat. Er trank noch etwas fasste meine Hand ganz fest, legte sie auf seinen Kopf und so sind wir vermutlich eingeschlafen. Arm in Arm...wie so oft, wenn ihn etwas plagte.

Die Nacht dann auch um ca.06:00 vorbei. Er war aber gut gelaunt, nicht wie sonst nach einer solchen Nacht. Nichts desto trotz stand fest: Er muss zum Arzt. Denn offensichtlich stimmte ja etwas nicht mit ihm.
Im Krankenhaus angekommen warteten wir ca. 45min bis wir dran waren. Und selbst während dieser Zeit kam keine Beschwerde von ihm. Kein Drängen nach Hause zu wollen. Keine Wut. Gar nichts. Er war zufrieden mit seiner Capri-Sonne und den Salzstangen den wir dabei hatten. Auch als diese nach einer halben Stunde leer waren.....gaaaaaaaaaaaaaar nix.

Wir sind an der Reihe. D er Moment der Wahrheit. Für mich wie für ihn. Ich werde seine letzte Untersuchung dort nie vergessen, als man versuchte ihm Blut abzunehmen und ich ihn mit Hilfe von 2 weiteren Personen festhalten musste. Seitdem sind die Gänge zum Arzt mit ihm, für mich eine ganz schöne Prüfung. Psychisch wie auch physisch. Da unser Sohn mit seinen gut 3Jahren mittlerweile die 20kg fast geknackt hat, bedarf es einer Menge Kraft ihn so ruhig zu stellen dass man ihn auch untersuchen kann. Denn bei aller Notwendigkeit für die Untersuchung:

In dem Moment, da ich ihn gegen seinen Wille festhalte: tue ich meinem Sohn Gewalt an. Er weiß nicht wieso, er versteht nicht warum und erklären kann ich es ihm auch nicht. Das muss man verarbeiten und auch durchstehen. Die einzige "Rechtfertigung" ist die Notwendigkeit der Untersuchung. Aber das ist in dem Moment kein Trost.
Ich war also auf das Schlimmste eingestellt und nahm auf der Liege im Untersuchungszimmer Platz.
Meinen Sohn, setzte ich neben mich.
Und da wurde ich schon überrascht. Er blieb sitzen. Normal macht er in diesem Moment alles. Aber sich keinesfalls von mir entfernen. Nein. Er blieben neben mir sitzen.

Ich sagte dann der Frau Dr. G. (An dieser Stelle ein großes Lob. Ich und mein Sohn sind Ihnen von Herzen dankbar für die Art und Weise wie Sie mit ihm umgegangen sind !), dass mein Auto Autist ist. Sie nahm es zur Kenntnis, begrüßte Clemens und er reagierte mit einem Fingerzeig auf ein Bild an der Tür und den Worten "Das ist ein Kinderbild"...

Moment mal bitte was!?...Eine fremde Frau...in einem kleinen Zimmer....in unmittelbarer Nähe...und er zeigt keine ängstliche Reaktion??? Versteht Ihr was ich sagen will?
Alles das was ihn in der Vergangenheit in Panik versetzt, das letzte traumatische Erlebnis dort, schien ihm nichts auszumachen. Er zeigte keine Angst. Naja. Soweit so gut. Noch ist sie ihm ja auch nicht zu nahe gekommen.
Dann setzte ich mich auf den Stuhl, und er ließ es zu, dass ich ihn auf meinen Schoß vor mich setzte. Ihn also aus meinen Schutz sozusagen raushole und ihn ihr im Prinzip aussetze. Auch hier. Kein Versuch seinerseits dieser Situation zu entkommen. Jetzt wollte sie ihn aber untersuchen. Ihn anfassen, ihm näherkommen. Ich warnte sie vor, sie solle auf seine Füße aufpassen. Sie streckte ihre Hände aus UND ER AUCH ! Er ließ sich anfassen. Erzählte mir ihr. Dass er sich die Hände blau angemalt hat. Mir kamen die Tränen. Ich saß hinter meinem Sohn und heulte. Ich konnte nicht begreifen, was da gerade passiert. Ich kann den Stolz den ich empfand immer noch nicht in Worte fassen. 
Nun ja. Nichtsdestotrotz agierte sie auch dabei sehr zurückhaltend und hielt noch einen gewissen Abstand. Er wurde ja auch noch nicht abgehört...Frei nach dem Motto "Lass ihn raus den Tiger", dachte ich jetzt geht's los. Weit gefehlt...er nahm sogar das Stethoskop in die Hand, schaute es sich an und lies sich ohne auch nur einen Ton von sich zu geben abhören. NOCHMAL:

Er ließ sich von einer fremden Person unter sein T-Shirt fassen und einen fremden Gegenstand auf die Haut pressen. Keiner von uns kann erahnen was das für eine Leistung war die er da vollbracht hat, dies über sich ergehen zu lassen ohne sich seinen Ängsten zu ergeben. Und das wäre das natürlichste der Welt gewesen hätte er das getan.
Nun waren aber die Ohren an der Reihe. Meine Muskeln waren trotz allem angespannt. Ich konnte nicht glauben dass auch das so glimpflich abgehen sollte. Aber die Art und Weise wie Frau Dr. G sich ihm genähert hat, und ihm alles gezeigt, das Gerät erklärt und ihn anfassen gelassen hat, hat dazu geführt das auch dies gemacht werden konnte ohne dass ich ihn mit aller Kraft im Schwitzkasten halten musste.

Ich will an dieser Stelle nicht weiter drauf eingehen was er jetzt hatte oder nicht hatte. Mir ist wichtig euch begreiflich zu machen was unser Sohn da geleistet hat. Und was sicher auch viele andere Autisten da draußen tagtäglich leisten. Keiner der nicht selbst Autist ist, vermag nachzuvollziehen welche Ängste dieser kleine Mann heute überwunden hat. Mag sein das er trotz einer vermeintlich schlechten Nacht, einen erstaunlich guten Tag hatte. Ja, Frau Dr. G, ist auf ihn eingegangen, besser hätte ich es mir nicht wünschen können. Trotzdem.
Eine unvorstellbare Leistung die mein kleiner Held da heut vollbracht hat. Und ich kann nicht sagen ob ich je stolzer auf ihn war. Ich wünsche mir, dass er auch in Zukunft ähnlich mit solchen Situationen umgeht. Erwarte ich es? Auf keinen Fall. Mehr noch aber wünsche ich mir, dass er irgendwann versteht warum ich ihm das antue.
Antue...merkt ihr wie negativ das klingt? Ich muss mir angewöhnen die Dinge anders zu formulieren.
Eigentlich tue ich ihm nichts an. Denn ich bin bei ihm. Ich gebe ihm Halt, ich tröste ihn, ich gehe mit ihm gemeinsam da durch. Denn wir beide leiden in diesem Moment. Genauso wie ich in diesem Moment für ihn da bin, bin ich auch danach das Pflaster für sein Herz das ihm möglicherweise weh tut, da er nicht versteht warum ich das tue.
Was soll ich sagen. Papa sein bedeutet schlussendlich nicht nur der beste Freund sein. Sondern auch mal der Arsch oder das Hassobjekt zu sein. Ob es bei Clemens tatsächlich so ist oder jemals war?
Wenn dann hat er es mich nie spüren lassen. Ein Grund mehr ihn zu lieben und das nächste Mal genauso für ihn da zu sein.

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