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Dienstag, 23. Januar 2018
Der Tag aller Tage - der letzte Termin
wir hatten heute den Termin zum Planungsgespräch in der Praxis.
Leider ist er ziemlich doof gelaufen. Aber dazu gleich mehr.
Unser Papa hatte heute Urlaub, so dass wir zusammen zum vermeintlich letzten Termin fahren konnten. Nachdem die Babyschwester bei Oma und Opa abgegeben war, sind wir also nach Mainz gedüst.
Wir meldeten uns an, setzten uns ins Wartezimmer, Clemens zog Jacke und Schuhe aus und verlangte sich etwas zu trinken. Also alles wie immer. Um zehn vor neun stand der Arzt im Raum und rief eine andere Familie auf. Neun Uhr kam und ging. Unser Termin.
Dass man ab und an etwas warten muss, ist ja klar. Es wurde viertel nach neun, zwanzig nach neun...Halb zehn. Ich hörte unsere Pädagogin auf dem Flur zu einer anderen Mama sagen, dass sie leider einen Terminverzug hat, da sie noch auf ihren Kollegen warten muss und es leider noch etwas dauert. Na toll...
Um viertel vor zehn kamen dann Arzt und Pädagogin zusammen und entschuldigten sich für die Verspätung. Wir gingen also los in den Raum des Arztes.
Clemens eroberte sich direkt das Puppenhaus, dass bis obenhin gefüllt war mit Playmobil. Er fing an, sich alles anzuschauen und zu spielen.
Wir setzten uns an den Tisch, die Pädagogin begrüßte uns nochmals und fing an mit uns die Akte durchzugehen und alles, was in den letzten Wochen gemacht, getestet und besprochen wurde.
Sie erklärte uns, dass dies einzig und allein dem Zwecke dient, dass wir nachvollziehen können, wieso das Team zu der Einschätzung und Diagnose kommt, die dann letzten Endes ausgesprochen wird.
Ein nettes Intermezzo aus, man kann ihn nicht testen, er lebt in seiner eigenen Welt, im Kindergarten tätigt man unterschiedliche Aussagen zu seinem Verhalten und das von mir beschriebene Verhalten.
Sein Entwicklungsstandstest war mehr als unterirdisch. Frau J. berichtete, dass sie vieles gar nicht erst in Angriff nehmen konnte, da er nicht reagierte. Und das, was getestet wurde, ist nicht aussagekräftig, da es mit meiner aktiven Hilfe getestet wurde. Ich habe ihm zwar nicht geholfen, aber habe ihn angesprochen, was ja eigentlich verboten ist. ABER! Sie schätzt ihn besser ein, als die Auswertungsbögen ausgespuckt haben.
Immer wieder viel das Wort "Autismus". Aber auch die "hyperkinetische Störung im Sozialverhalten" wurde angesprochen. Man sagte uns, dass er ja noch wirklich jung sei, dass man die "hyperkinetische Störung" auch in so einem jungen Alter auch noch nicht diagnostiziert, dass man sie aber mal nicht aus dem Auge verlieren sollte, da die Therapieansätze bei dieser und bei einer ASS meilenweit auseinander liegen.
Der Arzt empfahl uns, was glücklicherweise unserem vorher gefassten Plan entsprach, erstmal keine weiteren Diagnostiken in Angriff zu nehmen. Sondern ihm ein Jahr zu geben und in diesem Jahr mit ihm an der Kommunikation zu arbeiten. Für das Jahr 2019 hat er uns dann die Uniklinik Frankfurt empfohlen, um eine gezieltere und definiertere ASS-Diagnose zu bekommen. Auch Ergo und Logo hat er uns nicht empfohlen. Er rät zu TEACCH, eine spezielle Methode zur Förderung von Menschen mit Autismus und anderen Kommunikationsstörungen.
Eine I-Kraft hält er auch durchaus für sinnvoll.
Bis auf drei, vier Unterbrechungen lief das Gespräch recht fließbandmäßig ab, für Rückfragen oder Berichte blieb leider kaum Zeit. Man nannte uns noch ein, zwei Stellen in unserer Nähe, die den Therapieansatz wohl anbieten, aber man versicherte uns, sich nochmal genau zu erkundigen. Nach einer dreiviertel Stunde wurde das Gespräch , nach unserem Empfinden, abgebrochen. Wir sollten noch einen Termin ausmachen, um den Arztbrief abzuholen und die Lister der Therapieeinrichtungen in unserer Nähe.
Äh, ok.
Tausend Fragen... Kopfkino...Unruhe... Aber wir gehen dann mal. OHNE IRGENDETWAS in der Hand.
Nochmal hinfahren und alles einsammeln.
Da ich einen extra Termin machen musste, hoffe ich, dass dann Raum für Fragen ist.
Wir haben uns ziemlich alleine gelassen gefühlt. Eigentlich haben wir heute viel erfahren, aber trotz allem, war das ganze nicht befriedigend. Ein eindeutiger Ausspruch für eine ASS fehlt. Eine eventuelle andere Diagnose steht nun im Raum. Wenn auch nur vage. Ein Jahr läuft er nun als Autist... Und danach muss man mal sehen.
Wir versuchen nun, uns abzuregen, zu sortieren und morgen wieder positiv in den Tag und die Zukunft zu gehen.
Bis bald
Eure Stina
Dienstag, 16. Januar 2018
Aber wenn sie jemanden lieben, dann richtig...
heute möchte ich euch von meinem Treffen mit einer Mama berichten, deren Sohn ebenfalls eine ASS hat.
Den Kontakt hat meine Tante hergestellt. Eigentlich wollte ich tausend Sachen über mögliche Diagnostiken und Therapien fragen. Als es dann aber soweit war, sprudelte einfach nur unser Alltag aus mir raus, die Schwierigkeiten, die guten Dinge, die Eigenheiten, das Umfeld, der Stress, die Anstrengungen, die Sorgen und Ängste.
Ich sag's euch, es war so gut, sich jemandem mitzuteilen, der versteht, was man da mit macht. Der es wirklich versteht. Der um alle Facetten des ganzen Bescheid weiß. Nicht nur aus der Theorie, sondern weil er es selbst jeden Tag erlebt und meistert.
Besagte Mama ist eine unglaublich offenherzige, warme, und ich denke, sehr liebevolle Person. Man konnte praktisch nicht anders, als sich fallen zu lassen.
Sie erzählte von ihrem Sohn, von Dingen, die sie mit ihm unternimmt, wie sie sich im Alltag hilft und wie sie es sogar geschafft hat, einen Rahmen zu schaffen, dass sie mit ihm ein wenig in Urlaub fahren kann.
Sie hat mich bestärkt, sie hat mir Mut gemacht, sie hat mir das Gefühl vermittelt, nicht alleine zu sein. Sie hat mir von ihren Auszeiten erzählt, von Treffen mit anderen Eltern von Autisten.
Und sie gab mir das Gefühl, dass es in Ordnung ist, auch mal müde und ausgelaugt zu sein. Dass man auch mal weinen darf.
Am schönsten war der Moment, als wir uns einfach trotz der unterschiedlichen Erfahrungen mit unseren Kindern, einig waren, wie schön das Leben mit unseren kleinen Autisten doch ist.
Wir lernen die Welt anders kennen, wir sehen andere Dinge, leben unser Leben anders. Aber am aller meisten, lieben wir anders und werden anders geliebt!
Ich möchte die Liebe von "normalen" Kindern zu ihren Eltern nicht klein reden, denn sie ist genauso groß, wie die Liebe unserer autistischen Kinder. Aber es gibt eben doch einen kleinen Unterschied. Autisten brauchen lange, bis sie wirklich Vertrauen gefasst haben, es ist für Außenstehende meist mit viel Arbeit verbunden. Aber wenn sie dich in ihrer Welt akzeptieren, dann lieben sie dich aufrichtig und ewig!
Es ist ein Ritterschlag, wenn sie einen in ihre Welt aufnehmen, wenn sie einem ihr Herz schenken!
Sie erleben und empfinden alles viel intensiver, als wir Normalos. Und so ist es eben auch mit der Liebe!
Das erste Mal, seit der Diagnose, fühlte ich mich gut und hatte dieses bedrückenden Gefühl von Angst und Trauer abgelegt. Ich wusste, dass wir noch einige Zeit brauchen werden, bis wir wirklich alles verdaut haben, dass es Tage geben wird, an denen man abgekämpft sein wird. Aber dass sich das alles lohnen wird und wir in eine sonnige Zukunft gehen.
Mit dem Autismus an der Hand.
Danke G.!
Bis bald
Eure Stina
Clemens große Liebe
heute berichte ich euch von etwas wirklich, wirklich tollem.
Etwas, wovon ich dachte, dass es nie passieren würde.
Vor zwei oder drei Wochen habe ich via Fratzenbuch einen Babysitter gesucht. Wir können die Kinder nicht immer zu den Omas geben und unser Kinderpsychiater hatte uns ja zu anfangs schon empfohlen, unser Netzwerk zu vergrößern, um Hilfe zu haben und Auszeiten für uns einzuräumen.
Vier Mädels haben sichauf meinen Aufruf gemeldet und wir vereinbarten Termine zum Kennenlernen, eine Art Babysittercasting :-) Natürlich waren nicht wir dabei die entscheidende Instanz, sondern Clemens.
Tja, und er hat sich eine Babysitterin ausgesucht. Eigentlich soll sie auf beide Kinder aufpassen, ich bin gespannt, wie es wird, wenn wir das erste Mal weg fahren und sie mit den Kindern alleine ist. Denn sind wir zu Hause, nimmt er sie in Beschlag - und zwar völlig. Er schmeißt sich ihr in die Arme, nur sie darf ihm helfen, er nimmt sie an der Hand und geht mit ihr in sein Zimmer. Er mag sie nicht nur, er hat sie mit allem, was er hat in sein Herz geschlossen.
Ein wenig erinnert sie mich an seine ehemalige Bezugserzieherin aus dem KiGa. Lange braune Haare, dunkle Augen, ruhiges Gemüt.
Es ist so schön, die beiden zu beobachten.
Ein wenig Sorge habe ich allerdings, dass durch seine extreme Zuneigung zu ihr auch die Gefahr steigt, dass er bei ihr einen Meltdown erleben wird. Bis jetzt ist das ja bei Externen noch nie passiert.
Aber wir hoffen jetzt einfach das beste und freuen uns auf die Zeit zu zweit. Alle vierzehn Tage , zwei bis vier Stunden nur für uns 💕
Bis bald
Eure Stina
Freitag, 12. Januar 2018
Familienzuwachs ja oder nein?
heute möchte ich gerne etwas zum Thema Familienzuwachs bloggen.
Eigentlich ja ein eher intimes Thema, aber wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir gerne noch ein drittes Kind und auch gerne einen Hund hätten.
Viele von euch müssen bestimmt gerade mal Luftschnappen und fragen sich sicherlich, ob wir noch alle Latten am Zaun haben. Zwei kleine Kinder, eines davon Autist. Und dann noch mehr Verantwortung aufbürden.
Um ehrlich zu sein, wir haben auf die obige Frage aktuell auch keine Antwort.
Was vorher so sicher schien, hat durch die Diagnose doch zu wackeln begonnen.
Ein drittes Kind
Ja, das hätten wir gerne. Ein Schlafzimmer ist noch da, unsere Herzen hätten noch mehr als genug Liebe zu geben. Aber Liebe alleine reicht ja nicht aus, um ein Kind groß zuziehen.
Ein autistisches Kind fordert mehr Zeit und Energie von den Eltern, als ein "normales" Kind. Aufmerksamkeit, Therapiezeit, Exklusivzeit für alle Kinder.
Können wir allen Kindern gerecht werden, wenn wir drei Kinder hätten?
Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Junge eine Störung im autistischen Spektrum aufweist, ist höher, als bei einem Mädchen, was, wenn wir einen Jungen bekommen würden und er ebenfalls Autist wäre, könnten wir das stemmen?
Wenn wir ein Drittes bekommen sollten, wann wäre ein guter Zeitpunkt? Sicher nicht, wenn Clemens in die Schule geht, denn dann fängt die Arbeit für ihn und für uns erst richtig an. Also dann zeitnah? Zwei Jahre finde ich einen tollen Abstand, man sieht es ja an Clemens und Livia. Livia liebt ihn. Und sie ist das einzige Kind, auf dass er reagiert, mit dem er wirklich interagiert. Autisten sozialisieren sich hauptsächlich mit und über ihre Familien, wieso also nicht noch ein kleines Wesen in unserer Mitte begrüßen? Aber drei kleine Kinder innerhalb von vier Jahren? Können wir das nervlich? Bleibt da auch noch Zeit für uns, um Energie zu tanken?
Was vorher glasklar schien, ist gerade überhaupt nicht klar. Nicht greifbar. Und egal wie man es dreht, es gibt immer einen Haken.
Wir werden sehen, wie sich unsere Gedanken weiterentwickeln und wohin uns das ganze führt.
Und wie ist das überhaupt mit einem Hund?
Ein Hund steht schon seit Jahren auf der Agenda. In ein paar Jahren, wenn die Kinder größer wären und selbstständig Aufgaben übernehmen könnten, sollte ein großer Hirtenhund hier einziehen. Ein Arbeitstier, groß, stattlich und stolz sollte er sein. Und nun stehen wir hier und werfen die ausgesuchte Rasse wieder über Bord. Mit einem autistischen Kind brauchen wir einen Hund, der nicht misstrauisch ist. Der ein ruhiges und sanftes Gemüt hat.
Berechtigte Frage an dieser Stelle: Muss das mit dem Hund denn überhaupt sein?
Ja!
Clemens braucht einen Begleiter, einen treuen Freund.
Nun die Frage, welche Rasse soll es sein? Nichts scheint so richtig zu passen. Die offiziell ausgewiesenen Begeleithunderassen gefallen uns nicht. Bei Labradoren und Goldis muss man auf die Linie achten, es muss eine Showlinie sein und keine Arbeitslinie, von wegen Jagdtrieb und so.
Es gibt speziell ausgebildete Assistenzhunde für Autisten. Die kann sich nur keiner leisten.
Aktuell stehen wir mit einem Hundetrainer in Kontakt und bringen Clemens regelmäßig in die Welpenstunde, um zu sehen, wie er auf welche Rasse reagiert. Und natürlich auch, damit der Trainer uns und vor allem ihn kennenlernt und uns dann besser mit Rat und Tat zur Seite stehen kann. Mit ihm soll der Hund auch ausgebildet werden.
Wir hoffen, dass der Hund uns etwas entlastet. Dass es reicht, wenn der Hund neben ihm sitzt, dass der Hund ihm in unbekannten Situationen Schutz und Halt bietet. Dass der Hund frühzeitig merkt, wann Clemens genug hat und uns ein Zeichen gibt, sodass wir ihm schnellstmöglich Schutz und Ruhe bieten können. Um einen Meltdown/Shutdown zu verhindern.
Ihr seht, viele und hohe Ansprüche. Das ist natürlich mit Arbeit verbunden. Der Hund muss trainiert werden, gut ausgebildet werden, um die Begleithundeprüfung überhaupt erfolgreich ablegen zu können.
Bei Livia mache ich mir da übrigens keine Gedanken. Sie liebt Tiere über alles.
Ihr seht, egal, ob Kind oder Hund, es ist alles zeitintensiv.
Haben wir uns ein ausreichendes Netzwerk aufgebaut, um das alles wuppen zu können? Ist genug Unterstützung da?
Fragen über Fragen, schwere Herzen sind schon vorprogrammiert. Wir werden sicherlich noch viele Stunden hier sitzen und uns den Kopf zermartern.
Ihr werdet dann hier erfahren, wie es weitergeht :-)
Bis bald
Eure Stina
Donnerstag, 11. Januar 2018
Der letzte Diagnostiktermin mit der Pädagogin
Hallo ihr Lieben,
lange war es still hier. Wir hatten eine stürmische Phase, da möchte man abends lieber schlafen, statt schreiben :-)
Aber ihr sollt ja weiter auf dem Laufenden bleiben, also wird jetzt mal nicht gepennt, sondern geklotzt.
Wir hatten vor zwei Tagen unseren letzten Diagnostiktermin mit unserer SozPädi. Sie hat wenig mit Clemens gearbeitet, sondern ist mit mir noch einen weiteren Bogen durchgegangen. Mal wieder wurde mir das Herz schwer, weil ich merkte, wie sehr er sich in so vielem unterscheidet, so vieles so anders macht, so vieles gar nicht macht oder nicht kann.
Er spricht nicht, wie andere knapp Dreijährige es tun, er spielt nicht, wie die anderen. Sein Schmerzepfinden ist entweder gar nicht vorhanden oder so extrem, dass man glaubt, er verbrennt bei lebendigem Laib. Mimik und Gestik versteht er nicht wirklich. Nutzt selbst höchstens den "bösen Blick". Natürlich ist das mehr, als andere Autisten tun. Aber es ist immer noch nicht das, was alle anderen Menschen tun.
Während der ganzen Zeit, spielte Clemens. Und wie er spielte, ich habe ihn so noch nie erlebt. Er hat immer wieder Kontakt zu Frau J. aufgenommen, zeigte ihr die Spielsachen und hat sie sogar benannt. Er hat ihr sogar einen Ball zugeworfen! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie stolz mich das gemacht hat. Ich möchte beim Schreiben schon wieder heulen, weil es so toll war. Für einen Moment so unbeschwert. Für einen Moment so "normal".
Nach einer knappen halben Stunde waren wir fertig und sind wieder nach Hause gedüst.
Wir waren ja nun gute drei Wochen nicht in Mainz und man hat gemerkt, wie ihn die Stadt, die Menschen, die Autos, die Geräusche und der Fahrstuhl gestresst haben. Mehr als bei den letzten beiden Terminen im letzten Jahr. Und wieder ist mir bewusst geworden , wie unglaublich wichtig es für ihn ist, Dinge regelmäßig zu tun, um nicht in Stress zu geraten.
Ein kurzer Bericht, ich weiß.
Aber die Tage kommt ein etwas längerer Beitrag. So viel sei verraten: ich habe eine Mama kennengelernt, deren Sohn auch Autist ist.
Bis bald
Eure Stina
Mittwoch, 3. Januar 2018
Und dann gibt es da diese Tage...
Anscheinend haben meine Kinder ihre innere "Ich-spinne-rum"-Uhr synchronisiert.
Die Babyschwester lässt uns seit einer guten Woche keine Nacht mehr schlafen, ist extrem anhänglich und möchte so gar nichts alleine machen.
Und dann haut mein kleiner Autist auch noch voll auf die Kacke.
Immer, wenn er neue Wörter lernt, oder ein Fortschritt in einem anderen Bereich zu erkennen ist, flippt er völlig aus. In den Tagen davor spricht er unglaublich viel in seiner eigenen Sprache. Da sind wir dann immer schon vorgewarnt. "Er kauderwelscht wieder.", "OK, dann schauen wir mal, wann die Wutwolke los bricht."
In der Regel dauert der Vorlauf drei bis vier Tage. Es kommt aus ihm raus, wie ein Wasserfall, aber keiner versteht irgendetwas. Spätestens an Tag fünf spricht er wieder deutlicher und hat einige neue Wörter in seinen aktiven Wortschatz aufgenommen. Leider leiden einige andere, ältere Wörter dafür dann. Aber so sei es.
An Tag sechs geht es dann los, dass er extrem unruhig wird, für nichts still sitzen bleiben kann. Er alles anfängt, ihn aber nichts zufrieden stellt. Er hat in diesen Phasen keinerlei Geduld für irgendetwas. Fängt sofort in einer extremen Lautstärke mit einem ganz furchtbaren, schrillen Ton an zu jammern, springt dabei schon rum oder haut etwas auf den Tisch. Nur um bei Nichtbeachtung bzw. bei einem zu langsamen Beachten völlig zu eskalieren. Er wirft Dinge durch die Gegend, haut oder tritt uns, an schlimmen Tagen kommt noch das beißen dazu. Seine Lautstärke und dieser schrille Ton verdreifachen sich, er beginnt extrem zu schwitzen.
So läuft es nun schon die letzten beiden Tage mit ihm.
Man merkt, wie ihm die Welt durch den Kopf schießt. An diesen extremen Tagen schaltet er ganz oft ab. Mal für ein paar Sekunden, mal für Minuten. Nur um danach zu explodieren. Aus dem Nichts, einfach so.
Diese extrem fordernde Tage in Kombination mit durchgemachten Nächten sind der ideale Cocktail für Streit und Anschreien vom feinsten. Und es kotzt mich an! Ich kotzte mich an!
Diese Ungeduld, diese Machtlosigkeit, keine Kontrolle über nichts zu haben, dieses Nicht-Verstehen des eigenen Kindes, funktionieren zu müssen, obwohl man eine Pause bräuchte, die man sich aber definitiv nicht leisten kann, denn gerade an solchen schlimmen Tagen braucht er uns ja besonders.
Ja, manchmal möchte man auf "Stopp" drücken, eine Pause haben. Energie tanken, um wieder geduldig sein zu können, um seine Welt besser verstehen zu können. Um nicht in hässliche Muster zu verfallen.
Übrigens flippt er im Kindergarten nicht aus. Es ist so, als ob es erst los rollt, wenn er in seiner sicheren Umgebung ist. Was ja eigentlich ein recht guter Umstand ist.
Aber eben ein kräftezehrender Umstand.
So, genug gejammert ;-)
Bis bald
Eure Stina
Montag, 1. Januar 2018
Papa...?!
Vorab:
Ich und meine Frau (...jaaaa....es schreibt der Mann) wünschen euch allen ein frohes neues Jahr.
Hoffentlich seid Ihr alle gut reingerutscht.
Ja...
Papa?!...spontan fiel mir nix besseres ein. Im Großen und Ganzen möchte ich hier jetzt eigentlich auch nur mal meine Sicht der Dinge auf die "Störung" unsres Sohnes erläutern.
Euch aber auch einen Einblick in unsere Vater-Sohn Beziehung geben.
Die, sicher, eine andere ist wie die zwischen Ihm und seiner Mutter (das ist ja soweit normal und nix ungewöhnliches), die aber vor allem eine besonders intensive Vater-Sohn Beziehung ist...sicher intensiver als manch andere Vater-Sohn Beziehung.
26.02.2015....17 Tage vorher wurde unser Haus aufgestellt...was macht man?....wo ist man?....Einzug Ende Juni??...richtig...nicht bei einem 5Tage altem Säugling...sondern man pendelt zwischen Rohbau...der Arbeit und dem eigenen Bett...in das man Abends um elf Uhr reinfällt...aus dem man Morgens noch vor 05:00 rausfällt um auf die Arbeit zu fahren.
Was also bleibt von einer Vater-Sohn Beziehung in den ersten Wochen? Generell ist der Vater ja in den ersten Wochen zweitrangig, vor allem wenn das Kind gestillt wird. Statt Windeln und Flaschen...hantierte ich mit Rigipsplatten und Fliesenkleber.
Woher also ein angeblich intensivere Vater-Sohn Beziehung?
Es war geschätzt 4 Wochen nach unserem Einzug. Da gab es den ersten Aufschwung in unserer Beziehung. Und zwar als meine Frau unter der Dusche (UNERHÖHRT ,,, was erlaubt die sich..) war und unser Sohn wach wurde...also ab in sein Zimmer, den kleinen Mensch geschultert und auf den Ball. In der Hoffnung er schläft wieder ein...die Male davor...war es die reinste Folter...für ihn wie für mich....doch plötzlich...war der kleine Mensch still...er schrie nicht. Er wehrte sich nicht. Er SCHLIEF. Das erste Mal das er in meinen Armen eingeschlafen ist. Ein unbeschreibliches Gefühl.
Von da ging es eigentlich konstant aufwärts...Ich begann Ihn, als er knapp ein Jahr alt war, ohne Bewegung zum schlafen zu bringen. Es klappte besser als erwartet.
Aber wann wurde die Beziehung so wie sie heute ist...wann wurde ich zu seinem Leuchtturm? - Ich werden später erklären warum ich mich als seinen Leuchtturm betrachte. Aber erst seit wir von seinem Autismus wissen.
Meine Frau wird jetzt die Augen verdrehen aber ich muss etwas ausholen...
Meiner, unsrer Auffassung nach muss ein Kind nicht schreiend in seinem Bett liegen. Wenn es schreit braucht es etwas. Und wenn es "nur" Nähe ist (Wobei selbst das für manche schon zu viel verlangt ist). Und genau das war bei unserm Sohn von seiner ersten Sekunde an der Fall. Nichts braucht er mehr als körperliche Nähe...nichts mehr als diese Sicherheit...nichts mehr als einen "Kurs".
Diese Sicherheit fand er mehr und mehr bei mir ab dieser Zeit da meine Frau mit unserer Tochter schwanger war und ich fand es sei meine Pflicht auch nachts für Ihn zu sorgen. Er ging ja noch nicht in den Kindergarten. Wann also sollte meine Frau Energie tanken wenn nicht Nachts. Also wiegte ich ihn wieder in den Schlaf...Ich ließ ihn in meinen Armen schlafen wenn er es gebraucht hat. Egal ob Wochenende oder nicht...egal welche Uhrzeit und wie lange es gedauert hat dass er wieder schlief. Ich wollte da sein und war da.
Um das aber von vornerein klar zu stellen. Ich will mich nicht als Held darstellen oder mich bewusst hervorheben oder mich gar wichtiger machen als es meine Frau für Ihn war. Ich möchte nur dass ihr besser verstehen könnt wieso unsere Beziehung so ist wie sie ist.
Jedenfalls...er ist seit dieser Zeit ein Papa Kind. Und logischerweise wurde das nicht anders als unsere Tochter dann auf der Welt war. Denn meine Frau kann sich ja schlecht teilen. Wenn ich zuhause war, war ich sein. Voll und ganz. Da hatte auch unsere Tochter leider kein Platz bei mir.
Was diesen Effekt verstärkte waren meine Fehler aus der Vergangenheit. Da bin ich - um Geschrei aus dem Weg zu gehen- heimlich weg. Ohne mich zu verabschieden. Dies muss zu uuuuunglaublichen Verlustängsten bei ihm geführt haben. Er dreht sich um, ich war weg. "Wo ist meine Sicherheit hin?...kommt er wieder? ...hab ich was falsch gemacht?...Wie geht's weiter wenn er nicht zurückkommt?...Wie ist mein Kurs?" Alle diese Fragen schossen ihm unkontrolliert durch den Kopf....PANIK.
Er wollte und brauchte nur mich (augenscheinlich)...ganz für sich...NUR FÜR SICH...
"WIESO GEHT PAPA SICH WAS ZU TRINKEN HOLEN....ER KOMMT BESTIMMT NICHT WIEDER VOM KLO ZURÜCK....PAPA DREH DICH NICHT UM !!!"
Diese Panik war sicher nicht hausgemacht...es war aber durch Unwissenheit meinerseits verschlimmert worden. (Seitdem melde ich mich zu Klogang ab. Das mag lächerlich klingen...aber es hilft ihm zu verstehen. Und mal ehrlich...was soll´s?)
Ich war also seine Bezugsperson. Alles was ich tat legte er förmlich auf seine ganz eigene Goldwaage.
Und jetzt kommt dieser Autismus ins Spiel...aber was ist das? Was macht das mit Ihm? Was bedeutet das?
Ihm fehlt sein Ordner...sein Regisseur...sein Gedankenkompass. Sein Leuchtturm der ihm seinen Kurs. Nun kann ich sicher nicht Sein Regisseur sein...bestimmt nicht Sein Kompass.
Aber ich denke sehr wohl sein Leuchtturm. Ein Leuchtturm ist der Orientierungspunkt...er gibt Sicherheit...er sollte helfen den Weg, den Kurs beizubehalten, er sollte vor allem helfen sich selbst wieder zu finden.
Nicht weniger will ich für meinen Sohn sein. Nicht weniger MUSS ich für meinen Sohn. Ich denke von keinem anderen erwartet Er es mehr als von mir.
Er braucht Verständnis. Er braucht Geduld. Von seiner Mama. Von mir.
Das alles wird er bekommen. Mehr noch als heute. Denn er ist perfekt. Er ist mein Sohn. Er hat es verdient denn ich bin unendlich stolz auf Ihn. Er ist Autist.
Bis bald
Euer Sebastian