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Dienstag, 19. Dezember 2017

Eine Reise in die Vergangenheit Teil IV

Erster bis zweiter Geburtstag

Clemens erster Geburtstag - da war er. Ein Jahr war das Kind alt.
Brachte uns so viel Freude und Liebe .
Der Tag war sehr emotional für mich. Wo ging dieses Jahr nur so schnell hin , ich hatte ihm doch überhaupt nicht erlaubt so schnell groß zu werden.
Natürlich ließen wir auch die Geburt Revue passieren. Nachdem ich morgens um zehn schon eine Flasche Wein öffnete, waren die Sorgen vergessen :-P

Wenn ich mir heute das Video seines Geburtstages anschaue, sehe ich wieder diese kleinen, feinen Unterschiede zu den anderen Kindern. Er schaute seine Gäste nicht an und auch die Geschenke waren uninteressant. Entweder war er mit Papier beschäftigt oder war bei Papa, Oma oder mir. Alles andere wurde keines Blickes gewürdigt. Als es anfing ihm zu viel zu werden, brachte ich ihn nach oben. Diese Strategie hatte sich bereits im Alltag bewehrt. Wurde er unten unruhig , brachte ich ihn hoch. Da wir eine Galerie im Wohnraum haben, ging das natürlich super. Man hatte ihn im Auge ohne direkt dabei sein zu müssen.

Der erste Geburtstag war vorüber, wir hingen die Eingewöhnung in der Krippe an den Nagel und lebten unser Leben weiter.
Clemens entwickelte sich unserer Meinung nach gut. Er sprach zwar in seiner eigenen Sprache, gab uns keine Antwort und spielte nicht mit den Kindern auf dem Spielplatz, aber es machte uns nicht wirklich Sorgen. Mit knapp eineinhalb fing er an , den Spielplatz zu meiden. Er wollte einfach nicht hingehen. Zumindest nicht am Nachmittag, wenn die anderen Kinder da waren. Morgens war es oftmals kein Problem. Außerdem war er sehr fest gefahren in seiner Routine. Die kleinste Abweichung endete in Schreierei und Schläge für uns. Ja, richtig gelesen. FÜR UNS. So körperlich wie er war, wenn er uns seine Liebe spüren ließ, so körperlich war er auch, wenn er frustriert war.
Er war sogar so verbohrt, dass er erst spazieren gehen MUSSTE , bevor wir mit ihm auf den Spielplatz gehen konnten.
Ich beobachtet die anderen Kinder in seinem Alter intensiv. Es schien, als ob sie auch bei guter Zeit mal ausflippen würden, Autonomiephase eben. Und damit tat ich auch das Verhalten unseres Sohnes ab. Zumindest meistens. Ab und an suchte ich dann im stillen Kämmerlein mal das Gespräch zu unseren engsten Vertrauten. Aber jeder tat die Sache mit dem Autismus ab, er hätte nichts, bräuchte vielleicht einfach nur ein wenig mehr Zeit und außerdem hätte er den Dickkopf ja nun nicht gestohlen.

Seine Wutanfälle wurden immer schlimmer. Die Nachbarn sprachen uns an, ob wir ihn schlagen, Fenster wurden zu gemacht, sobald wir uns auf der Straße befanden. Eine Nachbarin sprach uns auch an, wie bösartig er doch sei.
Ungebetene Erziehungstipps waren an der Tagesordnung. Beurteilung und Verurteilungen eben so.
Und immer die Frage: Haben wir etwas falsch gemacht? Warum ist er so extrem?

Mittlerweile wussten wir, dass ich wieder schwanger war und wir freuten uns sehr, hatten wir doch kurz vor Clemens erstem Geburtstag wieder eine Fehlgeburt erleben müssen.
Wir versuchten es ihm so gut es ging zu erklären, kauften Bücher, bezogen ihn mit ein. Er liebte ein Buch ganz besonders. Erstaunlicherweise laß er es aber nie ganz. Wir betrachteten uns immer nur den Teil mit der Schwangerschaft. Alles andere überblätterte er oder legte das Buch sogar weg.
Ich verbrachte meine Zeit mit ihm so intensiv , wie möglich. Er liebte es zu lesen, wirklich richtig zu lesen. Er konnte stundenlang da sitzen und mir beim Vorlesen zu hören. Ich habe ein Buch 16 Mal hintereinander lesen müssen. Er betrieb die Sache mit seinen Bücher wirklich exzessiv. Außerdem liebte er es, wenn ich ihm sang. Aber das war schon von Geburt an so. Musik konnte er nicht alles ertragen, aber wenn er ein Stück für gut befunden hatte, lief es immer und immer wieder. Seine Sprachentwicklung ging immer noch nicht voran. Er sprach den ganzen Tag, allerdings in seiner eigenen Sprache.
Mitte Oktober ging ich mit ihm spazieren und ein Bus fuhr an uns vorbei. Direkt dahinter ein Auto und er sagte "Auto". Endlich, dachte ich. Es war für lange Zeit das erste und letzte Wort, was er sagte.
Sein Verhalten änderte sich nicht großartig. Nach wie vor war er scheinbar aus dem Nichts mit seinen Nerven am Ende, ohne Vorankündigung fing er an zu toben. Er wurde zunehmend unruhiger, konnte nicht mal während dem Lesen still sitzen. Egal , ob ich sang oder laß, er brabbelte sich eins zurecht, hüpfte umher und stand irgendwie unter Strom.

Während der gesamten Schwangerschaft musste er nicht zurück stecken. Ich war fit und konnte mit ihm toben, springen, singen, spazieren, wie vorher. Nachmittags übernahm mein Mann, damit ich etwas ausruhen konnte.

Im Dezember 2016 wurden wir mit Clemens beim HNO vorstellig. Seine Sprachentwicklung machte mir Sorgen. Vor allem auf Grund des massiven Inputs seiner Bücher und Lieder.
Im Januar 2017 brachten wir in sogar zum Pädaudiologen, da der HNO eine OP empfahl, ich aber noch eine zweite Meinung hören wollte. Der Pädaudiologe stimmte seinem Kollegen zu, sagte aber auch, dass er ihn auffällig findet und wir uns mal überlegen sollten, ob wir nicht auch einmal in der Komm-Klinik der Mainzer Uniklinik vorstellig werden wollten. Auffällig. Ja klar tobte er darum und schrie und wehrte sich. Da wollte ihm schließlich jemand in Rachen, Nase und Ohren schauen.
Fünf Wochen vor seinem zweiten Geburtstag kam seine Schwester in unsere Mitte. Als wir sie nach Hause brachten, war er höchst interessiert, wenn es ans Wickeln ging. Wir hatten extra im Wohnzimmer eine kleine Wickelkommode vom Möbelschweden aufgestellt, damit er so nah es irgendwie ging dabei sein konnte und ich nicht den Raum verlassen musste.
Nach ca. vier Wochen ging es los, dass er sie nicht mehr so spannend fand, sondern eher als nervig erachtete. Er zerrte an ihr rum, haute ihr auf den Bauch und fand sie furchtbar.

Sein zweiter Geburtstag klopfte an die Tür. In der Woche davor wurde er an den Nasenpolypen und den Ohren operiert. Die Nasenpolypen hatten es nötig, die Ohren nicht wirklich.

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